Will ist ein verdienter Kriegsveteran, finanziell aber ziemlich am Ende. Für die Behandlung seiner kranken Frau braucht er dringend eine Viertelmillion Dollar, doch der Spießroutenlauf durch die Telefonzentralen seiner Krankenversicherung lässt ihn langsam...
Will ist ein verdienter Kriegsveteran, finanziell aber ziemlich am Ende. Für die Behandlung seiner kranken Frau braucht er dringend eine Viertelmillion Dollar, doch der Spießroutenlauf durch die Telefonzentralen seiner Krankenversicherung lässt ihn langsam den Glauben an alles verlieren. Als er Kontakt zu seinem Stiefbruder Danny aufnimmt, der Zeit seines Lebens immer in kriminelle Machenschaften verwickelt war, bietet der ihm deutlich mehr an. 32 Mio. Dollar schlummern in einer Bank und warten darauf abgeholt zu werden.
Danny braucht Wills Hilfe, doch der muss sich schnell entscheiden, denn der Job ist bereits im Gange. Hat Will eine Wahl? Nein hat er nicht. Doch es kommt natürlich wie es kommen muss: Das Ding geht kolossal schief und die Cops der ganzen Stadt sind bald hinter den ungleichen Brüdern her. Als die zwei in die Ecke gedrängt werden, kidnappen sie einen Rettungswagen – inklusive Sanitäterin und schwer verletztem Cop … Es gab Zeiten, da waren neue Michael-Bay-Filme Ereignisse. Maximale Promotion im Vorfeld, Vorfreude auf der Seite der Actionfans und prognostizierte Rekorde im Kinoeinspiel. Und das sind keine Märchen, sondern Fakten.
Doch jetzt muss man dem Regisseur (bzw. seinen Filmen) leider langsam märchenhafte Eigenschaften unterstellen. Denn Märchen fangen mit dem Satz: „Es war einmal …“ an. Schon bei Transformers V konnte man Abnutzungserscheinungen im Einspielergebnis erkennen – und das war weit vor einer weltweiten Pandemie. Für seinen Folgefilm 6 Underground ging der Regisseur dann zu Netflix – böse Stimmen behaupten, weil er von der Zusammenarbeit mit großen Filmstudios zuletzt eher frustriert war und beim roten N das Geld ohne Wiederworte locker gemacht wird.
Auch dieser Ausflug war allerdings nicht erfolgreich. Denn aus dem angedachten Franchise rund um Ryan Reynolds Killer-Gang wurde nichts. Während der Pandemie war Bay dann offensichtlich ziemlich langweilig und bevor er seinen nächsten großen Film abdrehen konnte, hatte er Lust auf etwas Kurzes, Schnelles. Mit dieser Sehnsucht trat er an Universal heran, die sich wiederum daran erinnerten, dass man ihm bereits einige Jahre zuvor einmal das Remake des dänischen Ambulance angeboten hatte. Bay hatte das damals abgelehnt. Jetzt wiederum schien es für sein Vorhaben, sich mal kurz die Langeweile aus der Pandemie-Isolation zu vertreiben, genau richtig. Mit einem verhältnismäßig schmalen Budget von 40 Mio. Dollar realisierte er Ambulance innerhalb von 38 Tagen und filmte ausschließlich in Los Angeles. Das weltweite Einspiel von knapp über 50 Mio. Dollar (bei entsprechenden Marketingkosten) kann jedoch für keinen der Beteiligten zufriedenstellend gewesen sein.
Vielleicht entschloss man sich auch deshalb, den Film so früh ins VoD sowie in den Heimkino-Markt zu schieben. Ironischerweise liegt’s nicht an der Qualität von Ambulance. Man muss kein Arthaus-Fan sein, um zu wissen, dass einem Michael-Bay-Filme nur bedingt Tiefgründiges liefern. Figurentiefe war noch nie die Stärke des Regisseurs und zu spektakulären Meta-Ebenen-Diskussionen reichten seine Regiearbeiten bisher auch nicht. Ein Bay-Fan kann Ambulance aber nur deshalb kritisieren, weil’s halt eben kein CGI-Overkill ist, sondern ein erfrischend geerdeter Actionfilm, der mal nicht eine ganze Stadt (oder noch mehr) in Schutt und Asche legt.
Klar, man hätte in einem Ensemblefilm, der letztlich eine sehr dynamische Entwicklung nimmt, mehr Charakterzeichnung integrieren können. Aber hey, wir sind hier halt nicht bei Nolan, sondern bei Bay. Man muss also die Kirche auch mal im Dorf lassen. Und glücklicherweise wird’s auch nicht so absurd wie in Emmerichs Mondfall. Dafür zitiert der Regisseur gerne und ausgiebig bei Speed und Heat und nutzt schnelle Schnitte in Kombination mit der Handkamera, um ein irres Tempo vorzulegen, sobald die Action übernimmt. Das wird nicht jedem gefallen und manch anderem wird auch mal etwas flau im Magen, wenn er versucht, dieser Wackelei und Hektik zu folgen.
Aber, und das ist ein wichtiges „Aber“: Ambulance ist Bays bester Film seit Langem. Wohlgemerkt: BAYs bester Film seit Langem. Das heißt nicht, dass Ambulance die Klasse eines Heat oder Speed erreicht. Aber er bietet zwei Stunden kurzweilige Action – und das ohne große Spielereien oder aufgeblähte Computereffekte. Man fühlt sich fast ein wenig an die aktuellen Live-Termine der selbsternannten „besten Band der Welt“ erinnert, die vor ihrer großen Stadiontournee noch mal in ein paar kleinen Clubs aufgetreten sind. So ein bisschen Back to the Roots, zurück zum oldschool handgemachten Actionfilm, in dem vornehmlich Blech kaltverformt wird und sich leere Patronenhülsen auf dem Asphalt sammeln, bevor Bay dann ja vielleicht doch noch Robocalypse inszenieren und die CGI-Rechenkünstler wieder auf Trab bringen darf. Hier kann er sich aber auf das konzentrieren, was ihn mal ausgemacht hat: Fiebrige Action innerhalb eines Settings, das (im Verhältnis zum Transformers-Gigantismus) begrenzt und von dem Moment des Verschanzens im Krankenwagen sogar klaustrophobisch wird. Das ist zweifelsohne spannend und packend inszeniert, da gibt’s nichts zu mäkeln. Während die Action in Ambulance also durchaus stimmt, freut man sich auch, Jake Gyllenhaal mal wieder zu sehen.
Nach Spider-Man: Far From Home war es etwas ruhig um ihn geworden, bis er zuletzt in Guilty (ebenfalls einem Remake eines dänischen Films) zu sehen war. Allerdings übertreibt gerade er es mit seinem Schauspiel hin und wieder ein wenig. Seine kurzen emotionalen Ausbrüche als Danny sind hart an der Grenze zum Overacting und sein nahezu permanentes Geschrei nervt ziemlich. Apropos nerven: Bay wäre nicht Bay, wenn er sich nicht immer mal wieder ganz toll dabei vorkommen würde, absurde Kamerafahrten zu integrieren, die nun wirklich unnötig sind und rein der technischen Demonstration dienen. Ja, diese Drohnen können heute gaaaaanz tolle Dinge. Super (hier fehlt der Augenroll-Smiley).
Unnötig vielleicht auch der Gag mit Bays Mastiff „Nitro“, der in mehreren Szenen auftaucht und stets in engen Autos zu sitzen hat. Nach etwas über 66 Minuten kann man außerdem (sicher unfreiwillig) erkennen, wie Bay auf der Rücksitzbank des Polizeifahrzeugs sitzt, um seinen 100 Kilo schweren Koloss im Fahrzeug zu bändigen. Ein paar ärgerliche Verhaltensweisen der Figuren; absolut absurde Fahrmanöver im Krankenwagen, die jeden Schwerverletzten auf der Stelle umgebracht hätten; die völlige Ignoranz sämtlicher Verhaltensprotokolle (nicht nur) in den letzten fünf Minuten des Films; Logikfehler satt und das arg kitschige Ende muss man außerdem hinnehmen. Wer das aber ausblenden kann, darf sich gut unterhalten fühlen.
Warum nicht mal einen (großen) Schritt zurück machen und für relativ schmales Budget einen etwas „kleineren“ Film drehen? Michael Bay hat es gemacht und das Experiment darf als geglückt gelten. Sein Ambulance mag nicht an die Figurentiefe des Originals aus Dänemark herankommen, aber wer hätte das schon erwartet? Dafür gibts aber endlich mal wieder einen lupenreinen Actionfilm in der Tradition von Speed & Co. Und der ist so rasant und atemlos geworden, dass man auch über das Overacting von Gyllenhaal und überraschend schnell wechselnde Tageszeiten hinwegsehen kann.
Autor: Timo Wolters - (Copyright Szenenfotos: © Universal Pictures)
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