Soeben hat Robert McCall noch in gewohnt souveräner Manier ein Dutzend Gegner inklusive ihres Anführers Lorenzo Vitali ausgeschaltet, als er für einen Moment vollkommen untypisch unaufmerksam ist und sich in den Rücken schießen lässt. Seine Konsequenz kann nur lauten, sich selbst den Gnadenschuss zu verpassen. Doch das Magazin der Waffe ist leer.
Schwer verwundet findet man ihn und lässt ihn vom Arzt eines kleinen italienischen Küstenortes zusammenflicken. McCall rekonvalesziert bei ihm und fühlt sich vor Ort erstaunlich wohl. Der Friede der kleinen Gemeinschaft wird nur dadurch gestört, dass die lokale Camorra unter Marco Quaranta die lokalen Händler und Restaurants mit Schutzgelderpressungen drangsaliert. Sein Bruder ist kaum besser. Ganz im Gegenteil. Um lukrative Hotels zu bauen, vertreibt er Bewohner mit brutaler Gewalt aus ihren Wohnungen. Robert freundet sich derweil nicht nur mit seinem Erretter, dem Arzt Enzo an, sondern fügt sich respektvoll ins Leben in dem kleinen Dorf ein. Parallel nimmt er anonym Kontakt zur CIA-Beamtin Emma Collins auf, um sie über die Rolle der Weinkellerei im illegalen Drogenhandel zu informieren. Unvermittelt vermischen sich deren Ermittlungen mit den Aktionen der Camorra und das kleine Dorf brennt lichterloh …
Zehn Jahre ist es her, dass Denzel Washington sich mit seinem Training-Day-Regisseur Fuqua wiedervereinte und die beiden dem Team Neeson-Morel nacheiferten, die 2008 mit Taken – 96 Hours für Furore gesorgt hatten. Das Rezept ist so simpel wie großartig: Man nehme einen Darsteller im besten Alter, der größtenteils durch seine Leistungen in Dramen aufgefallen war, und inszeniere ihn als überraschende Einmann-Kampfmaschine. Neeson war 56 Jahre alt, als er mit Taken erstmalig als echter Actionheld vor der Kamera stand. Denzel Washington hatte sogar schon vier Jahre länger auf der Erde verbracht, bevor er mit The Equalizer zur perfekten Killermaschine wurde. Und bei beiden ging der Plan auf. Ebenso lieferten beide eine mit individuell-persönlicher Note aufgeladene, sehr emotionale Geschichte.
War’s bei Neeson die Familie, die bedroht wurde, ging es in The Equalizer um die Freundschaft zu einer jungen Prostituierten, die Washington als Ex-DIA-Agent Robert McCall in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelte. Während man bei Taken vor allem auf brettharte und innovative Schlagtechniken setze, die choreografisch perfekt inszeniert wurden, ging man allerdings optisch bei Washingtons Figur einen anderen Weg. In Anlehnung an die Sherlock-Vision in den Holmes-Filmen von Guy Ritchie, visualisierte man bei Equalizer, wie McCall in jeder Situation die Bedrohung sofort erkennen und einschätzen kann. Er wählt die ihm zur Verfügung stehenden Waffen, ob Pistole oder Korkenzieher, aus und verwandelt die harmlosesten Gegenstände in ein Instrument des Todes. Im selben Moment weiß er genau, wie er sie gegen einen Raum voller Bösewichte einsetzen wird und wie lange es dauern wird, die Bedrohung zu neutralisieren.
Diese messerscharf geplanten, mit einer Kombination aus Zeitlupe, Close-ups und dem Blick ins Auge von McCall visualisierten Szenen waren der optische Blickfang in einem ansonsten herkömmlichen Einsamer-Wolf-Actionthriller-Setting, dem der Sinn nach Gerechtigkeit stand. Seinerzeit ein kleiner Aufreger: Die teils drastisch-konsequente Brutalität, mit der McCall bei seinen Aktionen vorging. Was aber passte, war die souveräne Vorstellung Washingtons, der trotz seines damaligen Alters glaubhaft mentale und physische Überlegenheit ausstrahlte. Außerdem war die Chemie zwischen ihm und der jungen Chloë Grace Moretz ganz hervorragend.
Nachdem der zweite Teil ebenso erfolgreich lief, wie der Vorgänger (vermutlich bewies sogar kaum ein Franchise eine ähnliche Konstanz in den Einspielergebnissen, denn alle drei Filme kosteten rund 70 Mio. Dollar und spielten beinahe auf den Million Dollar genau 190 Mio. Dollar ein – kein Ausreißer nach oben, keiner nach unten), war der dritte früh beschlossene Sache. Doch wie bei so vielem kam Covid-19 dazwischen und es dauerte.
Nun ist Equalizer 3 – The Final Chapter da und es beginnt zunächst in dem Stil, wie man es vom Franchise gewohnt ist (auch wenn die zur Schau gestellten Leichen vorab arg plakativ mit der Kamera abgefahren werden, um das Brutalitätslevel auf ein neues Niveau zu heben). Jene Sequenz allerdings, in der McCall auf den sizilianischen Patron wartet, um ihm zu demonstrieren, dass neun Sekunden ausreichen, um vier Gegner kaltzustellen, erinnert an die großartigen Szenen des ersten Teils. Allerdings weicht die bisherige McCall-Vision zugunsten gewisser Flashbacks, die sehr plakativ visualisieren, dass Robert sein gesamtes Tun kritisch zu reflektieren beginnt. Das passt zum Beginn, der ungewohnt sentimentale Töne anschlägt.
Was ebenfalls wirklich hervorragend funktioniert, ist die Atmosphäre, die entsteht, weil man in diesem kleinen Dörfchen Atrani an der Amalfiküste gedreht hat. Mit nicht einmal 900 Einwohnern und einer Architektur, die Jahrhunderte zurückreicht, entsteht eine ganz besondere Stimmung. Die Häuser scheinen in Etagen in die kleine Bucht an der Küste hineingebaut zu sein und diese unterschiedlichen Lagen kommen in Equalizer 3 tatsächlich gut zur Geltung.
Dass die Story hier noch weit generischer erscheint als jene der beiden Vorgänger, muss man akzeptieren. Dafür gibt’s schön-harmonische Momente zwischen Robert und den Einwohnern des Dorfs, was noch einmal eine besondere Note bekommt, wenn man weiß, dass Denzel Washington bereits seit 30 Jahren in Italien Urlaub macht und sich mit dem Land sehr verbunden fühlt. Trotzdem die Elemente, die den ersten Teil ausmachten, hier zurückgefahren wurden und trotzdem die Action kaum innovativ wirkt, ist der Abschied von Robert insgesamt versöhnlicher ausgefallen, als es bei Indiana Jones 5 der Fall war – zumal das erste Zusammenspiel zwischen Dakota Fanning und Denzel Washington nach 20 Jahren eine tolle Hommage an Man on Fire ist.
Equalizer 3 – The Final Chapter ist ein würdiger Abschluss des Franchise – auch wenn die Innovationen fehlen und der Actionanteil geringer ausfällt. Dafür entschädigt die Atmosphäre und die warmherzige Geschichte über den Schutzpatron eines kleinen Dörfchens an der italienischen Amalfiküste.
Autor: Timo Wolters - ((Copyright Szenenfotos: © Sony Pictures. Alle Rechte vorbehalten.
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