Filme

Filmrezension: Babylon – Rausch der Ekstase

Filmtip Newsbild Babylon Rausch der EkstaseHollywood im Jahr 1926. Los Angeles ist der Ort für den amerikanischen Traum und die Filmindustrie suhlt sich in ihrem eigenen Erfolg. Die Partys sind ausschweifend bis exzessiv und die Helden übergroß. Mitten in diesem Pulk extrovertierter Menschen wirkt der mexikanische Einwanderer Manuel Torres wie ein Fremdkörper.

 

 

 

Der eher schüchterne junge Mann sollte „nur“ einen Elefanten für eine Party besorgen, als er während der Feier auf die junge Nellie LaRoy trifft. Hals über Kopf verliebt er sich in deren atemberaubende Erscheinung. Nellie wird indes durch Zufall für den Film entdeckt und springt für die jüngst an einer Überdosis gestorbene Jane Thornton ein. Manuel freundet sich derweil mit Jack Conrad, einem der größten Stummfilmstars, an und kann durch diese Bekanntschaft ebenfalls im Filmgeschäft Fuß fassen. Zunächst nur mit Assistentenjobs betraut, steigt er bald zum Studioleiter auf. Nellie erlebt in dieser Zeit ihren Höhepunkt und wird zum Star. Doch ebenso wie Jack hat sie Probleme damit, die Veränderung vom Stumm- zum Tonfilm mitzugehen, konsumiert vermehrt Drogen und wird für die Filmbosse zum unberechenbaren Problem …

babylon szenenbild 7

Damien Chazelle ist mit seinen jungen Jahren von gerade einmal 38 einer der am meisten beachteten Filmemacher. Und das, obwohl er mit Babylon nun erst seinen fünften abendfüllenden Spielfilm gedreht hat. Bereits sein zweites Werk, Whiplash, begeisterte Publikum und Kritik gleichermaßen. Ihm folgte mit La La Land ein vielfauch ausgezeichnetes Musical und in Aufbruch zum Mond schickte er 2018 Ryan Gosling als Neil Armstrong dorthin, wo dieser einen großen Schritt für die Menschheit tat. Nun huldigt Chazelle Hollywood selbst – und zwar jener Zeit der Goldenen Ära, in der sich das Showbusiness vor allem selbst feierte. Dem Filmemacher fielen die Grundzüge zu seiner Story schon vor über 15 Jahren ein, doch alleine der Aufwand dieser Produktion nahm sich einiges an Zeit.

Chazelle hatte die Idee, das Hollywood der damaligen Zeit unverschleiert und ungeschönt darzustellen – mit all seinen Ausschweifungen, Exzessen und seiner Kompromisslosigkeit. Und genauso beginnt er seinen Film: Mit Ausschweifungen, die jenen auf SM-Partys in nichts nachstehen, wenn schon der erste Anblick auf einen fülligen nackten Menschen damit endet, dass hier literweise Natursekt sein Ziel findet. Babylon scheut sich nicht, wie sonst im US-Film selbst bei Erotikwerken üblich, vor frontaler Nacktheit von Mann und Frau, kratzt nach 24 Minuten auch mal hart an der Grenze zur Pornografie, wird dabei aber nicht explizit. Virtuos gelingt es Regisseur und Stammkameramann Linus Sandgren, die frivol-extrovertierte Partyszenerie in schillernden Farben und ausuferndem Setdesign zu präsentieren.

babylon szenenbild 8

Bereits die anfängliche Kamerafahrt durch die tanzenden, saufenden, sich gegenseitig ableckenden Gäste der Party ist atemberaubend. Subjektiv wie in einem One-Shot-Take, beginnt sie mit einer Totalen, fliegt dann schwerelos Richtung Kapelle, nimmt wieder Abstand, dreht sich, bahnt sich ihren Weg durch die lüsternen Gäste und endet erst nach zwei Minuten mit dem Gang durch die Tür – geschickte Schnitte vermitteln den Eindruck, dass Sandgren wirklich am Stück drehte. Doch selbst wenn nicht: Die Choreografie der Gäste und der agierenden Darsteller ist sensationell. Und weil das Treiben so ungeschönt, hautnah und offensiv geschildert wird, nimmt Chazelle sich 32! Minuten Zeit, um diesem Spiel zuzusehen, bevor er den Filmtitel einblendet. Was folgt, ist erneut eine unglaubliche Kamerafahrt, die den Zuschauer hinter die (Papp)Kulissen der zahlreichen Produktionen vor Ort mitnimmt. Die liebevoll Reminiszenz an die goldene Ära der Hollywoodzeit wird hier ganz besonders deutlich – trotz oder vielleicht gerade wegen der etwas entlarvenden Art und Weise, die „Tricks“ der damaligen Zeit offenzulegen.

babylon szenenbild 9

Beinahe mühelos bewegt sich der Regisseur zwischen schonungsloser Offenlegung und ebenso offener Verbeugung vor den Wurzeln und der Hohezeit des US-Kinos. Babylon würzt das Ganze mit schwarzem Humor, der aber auch gerne mal im Hals stecken bleibt. So ist es beispielsweise großartig, wenn sich Babylon der Probleme, die der Tonfilm mit sich brachte, auf äußerst humorvolle Weise annimmt. Man kann sich leibhaftig vorstellen, dass Diven vor und hinter der Kamera aufgrund der neuen Herausforderungen ständig in die Haare gekriegt haben. Gleichzeitig wird es bitterer, je länger die Szene andauert und man kann das Drama erkennen, das sich in den Köpfen der bis dato so erfolgreichen Stummfilmdarsteller abspielt.

babylon szenenbild 13

Außerdem macht aber auch vor den wirklich unangenehmen Themen des Hollywood der damaligen Zeit nicht halt und integriert bspw. das Blackfacing in einer eindrucksvollen und bedrückenden Szene. Ohnehin ist bei Weitem nicht alles Gold, was hier glänzt. Und damit ist nicht das ausufernde Partyleben der Hollywood-Gemeinschaft gemeint. Denn Babylon erzählt gleichsam auch eine Geschichte vom Ende der Unschuld. Auf der einen Seite wird der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm gezeigt, den viele einstige Stars nicht überlebten und daran zerbrachen.

babylon szenenbild 10

Auf der anderen Seite ist Manuel, der so unbefleckt und unschuldig ins das Showbiz kommt und nach und nach immer mehr zwischen die Räder all der Exzesse und letztlich auch der Brutalität gerät. Wenn er am Ende des Films als fast gebrochener Mensch eine Kinovorstellung besucht, wird noch einmal deutlich, was er eigentlich in Hollywood gesucht hat: Den Traum, etwas Großes zu sein. Ein Traum, an dem er fast zerbricht. Diego Calva spielt diesen Manuel auf eine Art, dass sich der Zuschauer mit ihm verbündet.

babylon szenenbild 11

babylon szenenbild 14

Und an seiner Seite liefern Brad Pitt und Margot Robbie (mal wieder) eine Glanzvorstellung ab. Ohnehin wird Pitt scheinbar mit jedem Film, den er in den letzten Jahren gedreht hat, besser. Und wer Robbie für ihre überaus mutige und extrovertierte Darstellung der Nellie nicht Beifall klatscht, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Doch bei all dem schönen Schein, der grandiosen Kamerafahrten, dem exzellenten Setdesign, dem fiebrigen Score und den tollen Darstellern – die Figuren lassen überraschend kalt. Je länger Babylon dauert, desto egal wird einem das Schicksal der Charaktere. Chazelle ist am Ende etwas zu sehr in die offensichtliche Falle getappt, Stil über Substanz siegen zu lassen.

BabylonGermanyUHDRetail

 

Fazit - Bewertung: 7/10

Babylon ist ausschweifendes Kino monumentaler Breite und Länge. Es sieht fantastisch aus, ist unglaublich ausgestattet, und toll gespielt. Doch so sehr sich der Film auch bemüht, er lässt die Bindung an die Figuren vermissen. Als Schauspiel über die große goldene Zeit Hollywoods gibt’s aber kaum Besseres.

 

 

Filminfos und Inhalt: Babylon – Rausch der Ekstase

  • Anbieter: Universal Pictures
  • Land/Jahr: USA 2022
  • Regie: Damien Chazelle
  • Darsteller: Margot Robbie, Brad Pitt
  • Tonformate: BD/UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): en // Dolby Digital 5.1: de
  • Untertitel: de, en
  • Bildformat: 2,39:1
  • Laufzeit: 189 Minuten

 

Autor: Timo Wolters - ((Copyright Szenenfotos: © Paramount Pictures. Alle Rechte vorbehalten)))

Anmelden
Diskutiert diesen Artikel im Forum (0 Antworten).

Aktuelle News

Aktuelle Testberichte

    • Test: Canton Reference 5 - Standlautsprecher

      Test: Canton Reference 5 - StandlautsprecherWenn etwas im Audio-Segment in den vergangenen Monaten für Aufsehen gesorgt hat, dann sich die neue Canton Reference Lautsprecher-Serie, die der Hersteller final in den Handel eingeführt...

    • Test: JBL TOUR ONE M2

      Test: JBL TOUR ONE M2Seit letzten Sommer ist der JBL TOUR ONE M2 der neue Oberklasse-Kopfhörer der Traditionsmarke, die für seine mobile Bluetoothprodukte bekannt ist. Damit ist es an der Zeit, das Gerät unter die...

    • Test: Canton Karat GS

      Test: Canton Karat GSDie Canton Karat GS wurde offiziell auf der High End 2022 vorgestellt. Anlässlich des 50-jährigen Firmenbestehens von Canton hatte man eine Ausführung mit Keramik-Wolfram-Membranen-Chassis auf den Markt...

    • Norddeutsche HiFi-Tage 2024: Messenachlese

      Norddeutsche HiFi-Tage 2024: MessenachleseEinst hieß es, dass alle Wege nach Rom führen. Am ersten Februar-Wochenende führte für viele Audio-Begeisterte, Hersteller und auch Redaktionskollegen der Weg nach Hamburg. Die Rede ist...

    • Test: Yamaha True X-Bar 50A + WS-X1A

      Test: Yamaha True X-Bar 50A + WS-X1AMit der Yamaha True X Plattform hat das Unternehmen im vergangenen Jahr eine neue Modellgeneration an Soundbars vorgestellt, die sich clever erweitern lassen und natürlich auch noch...