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Filmrezension: Im Westen nichts Neues

Im Westen nichts neuesNorddeutschland im Jahre 1917. Es ist das dritte Jahr des Ersten Weltkriegs und Paul Bäumer gehört zu den zahlreichen jungen Männern, die sich voller Euphorie zum Dienst melden und sich in der Überzeugung, das Richtige zu tun, die Uniform überstreifen. Dass bereits ein (anderes) Namensschild in die Jacke genäht ist, verwundert ihn zwar kurz, doch die Erklärung, die Uniform sei für diesen Herren wohl zu groß gewesen, reicht ihm aus. Singend und lachend geht er mit seinen drei Freunden aus dem Dorf Richtung Westfront.

 

 

 

Doch schon der Weg dahin wird gesäumt von harschen Kommandos der Vorgesetzten. Es vergehen nur wenige Tage und Paul muss die Marke seines Freunds Ludwig aus dessen blutigem Gesicht fischen und zur Heeresleitung schicken. Der Krieg ist nicht das, was er sich vorgestellt hat. Der Krieg ist dreckig, erbarmungslos und tödlich. Heroisches findet sich nicht, wenn man im Stellungskrieg in den Schützengräben liegt und kaum einen Meter vorwärts kommt. Und es findet sich noch weniger Heldenhaftes, wenn man im Nahkampf einem ebenso blutjungen Feind das Messer in den Körper rammt, um nicht selbst dran glauben zu müssen …

1930 inszenierte der Amerikaner Lewis Milestone das vom deutschen Schriftsteller Erich Maria Remarque geschriebene Antikriegs-Buch Im Westen nichts Neues. Zu verdanken war dies dem gebürtigen Schwaben Carl Laemmle Senior, der 1912 die Universal Studios gründete und das Buch bei einer seiner Heimataufenthalte entdeckte. Ein Glücksfall, denn in Deutschland hätte es so bald keine Verfilmung der Geschichte gegeben. Die Nationalsozialisten hatten Remarque bereits auf der Abschussliste und warfen den Roman 1933 auf den großen Haufen ihrer Bücherverbrennung. Erstaunlich jedoch, dass sich erneut die Amerikaner an ein zeitgemäßes Remake wagten, das 1979 als TV-Film mit prominenter Besetzung (u. a. Henry Thomas, Ernest Borgnine, Ian Holm und Donald Pleasance) die Story erneut aufgriff. Weitere 42 Jahre später war es dann aber soweit. Zwar (auch) mit internationalen Geldern und im Auftrag von Netflix produziert sowie dem Schweizer Regisseur Edward Berger als Inszenator besetzt, wurden immerhin weitgehend deutsche Schauspieler gecastet. So ausgerüstet avancierte Im Westen nichts Neues zum Hit beim Streaminganbieter und schrieb im März 2023 Geschichte, als er mit vier gewonnenen Oscars als erfolgreichster deutscher Film aller Zeiten von den 95. Annual Academy Awards nach Hause kam.

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Berger hat gemeinsam mit seinen Co-Autoren Paterson und Stokell die Originalgeschichte in vielen Teilen deutlich verändert. Er fügte Figuren hinzu und nahm andere Dinge heraus. Das ist nicht immer gelungen, weil es teils historisch nicht authentisch ist oder aber die Aussage des Buchs komplett verändert. Konzentrierte sich die Vorlage wie auch die Erstverfilmung auf das Kriegsszenario und integrierte familiäre Elemente (Heimaturlaub von Paul), nimmt Im Westen nichts Neues bspw. die wichtige Figur Himmelreich raus und fügt dafür jene des Matthias Erzberger hinzu – verschob das Geschehen also zwischendurch von der Front auf Friedensverhandlungen. Das macht den Film insgesamt globaler und weniger intim als die bisherigen Fassungen. Einige Bilder bieten allerdings auch frische Ansätze: Wenn nach den ersten, bereits sehr intensiv geschilderten Kampfhandlungen, die Leichen auf Stapeln liegen und man ihnen die Marken zur Identifizierung abnimmt, hat das etwas notwendig-mechanisches.

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Die Verheizung von menschlichem Kanonenfutter macht der Film hier aber nicht nur durch die Anhäufung von Toten sichtbar, sondern auf subtile Weise, indem die kaputtgeschossene Kleidung in dicken Bündeln nach Hause geschickt, gewaschen und von Näherinnen wieder aufbereitet wird, damit neue Infanteristen (wie Paul Bäumer) sie tragen können – die bittere Erkenntnis aus diesen Kreislauf-des-Kriegs-Szenen: Soldaten können nicht auf diese Weise zusammengeflickt werden. Denn was auch Im Westen nichts Neues im Jahre 2022 eindrücklich klarmacht: Krieg kennt keine Sieger und Verlierer. Krieg kennt nur Opfer. Die Sinnlosigkeit, mit der junge und jüngste Soldaten über Matschfelder voller Granatenkrater sprinten, um am Ende zehn Meter Landgewinn verzeichnen zu können, ist offenbar.

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Berger setzt das während der Kampfszenen in packenden Bildern um, die durchaus an großes US-Kino wie 1917 erinnern. Die weite Landschaft Tschechiens diente als Grundlage für die ausufernden Schützenfelder, die von der oscarprämierten Kameraarbeit James Friends sensationell in Szene gesetzt wurden. Friend ist mit der Kamera immer nahe und dynamisch dabei, ohne jedoch in ärgerliche und nervige Wackelei zu verfallen. Hin und wieder nimmt er sich außerdem Zeit, das Schlachtfeld ganz ruhig zu zeigen, die tödlichen Resultate der Auseinandersetzungen lediglich zu dokumentieren – Bilder, die nachwirken.

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Was dem Film allerdings in die Suppe spuckt, sind seine deutlich zu hellen, klaren und kontrastreichen Bilder, die über die Disks glatt und rauschfrei wiedergegeben werden (siehe Kapitel Bildqualität). Wären Produktionsdesign und Kostüme nicht so überzeugend, wäre es schwierig, sich in die Zeit des Ersten Weltkriegs einzufinden. Hier hätte man durchaus offensiver mit einer gewissen Körnung oder farblicher Stilisierung arbeiten können. Auch die teils sehr deutliche Tiefen-Unschärfe ist ein Problem, weil der Fokus dann oft durch geringe Bewegungen schon verloren geht. Ebenfalls schwierig: Die oft hingenuschelten Dialoge. Schon während der akustisch halbwegs übersichtlichen Momente hört man längst nicht alle Darsteller gut. Kommen lautere Umgebungsgeräusche oder Euphorie-Momente hinzu, kann man mitunter kaum etwas verstehen – und das in einem deutschsprachigen Film.

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Fazit: Bewertung: 7/10

Im Westen nichts Neues bietet die bekannte Geschichte vor dem Hintergrund einer neuerlichen Kriegssituation in Europa. Dabei weicht er an einigen Stellen sehr deutlich von der Vorlage ab und ist in gewissen Punkten zu glatt poliert. Wer hier mit der Prämisse historischer Akkuratesse und Originaltreue rangeht, wird enttäuscht sein. Wer aber an intensiven Darstellerleistungen und dem nie unwichtig werdenden Antikriegs-Aspekt interessiert ist und den etwas moderner inszenierten Film mag, der wird sich auf die Seite der Fans schlagen.

 

 

Filminfos und Inhalt: Im Westen nichts Neues

  • Anbieter: Capelight Pictures
  • Land/Jahr: D/GB/USA 2022
  • Regie: Edward Berger
  • Darsteller: elix Kammerer, Albrecht Schuch, Aaron Hilmer, Daniel Brühl, Moritz Klaus, Edin Hasanovic, Devid Striesow, Thibault de Montalembert, Andreas Döhler
  • Tonformate: BD/UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): de // Dolby True HD 7.1: de // dts-HD-Master 5.1: en uvm.
  • Untertitel: de, en
  • Bildformat: 2,39:1
  • Laufzeit: 149 Minuten

 

Autor: Timo Wolters - ((Copyright Szenenfotos: © Rainer Bajo / Capelight Pictures)))

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