Das Jahr 1998: Rob Bilott ist Wirtschaftsanwalt. Ein sehr guter Wirtschaftsanwalt. So gut, dass er zu einer Gruppe von Juristen gehört, die den weltweit operierenden Chemiekonzern DuPont bisweilen in Rechtsfragen vertreten. So gut, dass er vor Kurzem Partner der renommierten Kanzlei Taft, Stettinius und Hollister wurde. Doch dann passiert etwas, womit Bilott nicht gerechnet hat: Er bekommt Besuch von zwei Farmern aus Parkersburg in West Virginia.
Die zwei Männer beschuldigen den Chemiekonzern DuPont, das Wasser, aus dem die Kühe der Farmer trinken, mit Chemieabfällen zu vergiften. Zunächst lässt Bilott die zwei Männer abblitzen, schaut sich dann aber die Videos an, die von ihnen hinterlassen wurden und besucht das Gelände. 190 Kühe hat der Landwirt in kürzester Zeit verloren und verbrennen müssen. Während alle seltsame Veränderungen und krebsartige Geschwulste zeigten, scheint eine von ihm angestoßene Untersuchung der Umweltbehörde im Sande verlaufen zu sein. Nachdem Bilott Ungereimtheiten entdeckt, schlägt er seinem neuen Boss, Tom Terp, vor, den Fall als „kurze Sache“ zivilrechtlich durchzuboxen. Was Bilott nicht ahnt: Diese „kurze Sache“ wird in 20 Jahre vor Gericht beschäftigen …
DuPont ist, bzw. war einer der größten Chemiekonzerne weltweit überhaupt. Gegründet im Jahre 1802 als Sprengstoffunternehmen entwickelte man sich im 20. Jahrhundert zu einem globalen Konzern, der zahlreiche Märkte (unter anderem die Landwirtschaft oder die Bekleidungs- und Gesundheitsindustrie) bediente. Zu den bekanntesten Marken und Innovationen DuPonts zählen unter anderem bspw. Kevlar oder Teflon. Vor der Fusion mit Dow Chemical beschäftigte man rund 52.000 Mitarbeiter und setzte 25 Mrd. Dollar um. DuPont war aber immer auch Zielfläche für kleinere und größere Umweltskandale. Als einer der größten Hersteller von FCKW sowie aufgrund des eigenen, sehr hohen Schadstoffausstoßes führte man zehn Jahre lang den Toxic 100 Index an. Besonders schwer wog allerdings ein Skandal, der von 1998 an seine Kreise zog. In einem bis 2017 andauernden Rechtsstreit ging es um die Verunreinigung des Trinkwassers durch die von DuPont genutzte Chemikalie Perfluoroctansäure. Da diese sich im menschlichen und tierischen Körper anreicht und als krebserregend gilt. In der Folge der Verunreinigung des Wassers starb Nutzvieh und litten rund 100.000 Menschen mit Zugang zu diesem Wasser unter unterschiedlichen Krankheitsbildern. Knapp 20 Jahre nach Beginn der Prozesse sprach man DuPont schuldig und erwirkte Entschädigungszahlungen.
Wenn das mal nicht ein Stoff für ein starkes Drama ist! Und so ist es. Bereits 2016 hatte der Autor Nathaniel Rich in der New York Times einen langen Artikel unter dem Namen „The Lawyer Who Became DuPont’s Worst Nightmare“ verfasst und damit die Geschichte von Bilott einem breiten Publikum verfügbar gemacht. Eben auf diesem Artikel basiert nun der Film von Regisseur Todd Haynes. Und die Sache ist wirklich hochgradig spannend und ebenso emotional aufwühlend. Das Problem war, dass es, wie oben geschildert, um den Stoff PFOA (Perfluoroctansäure) ging. Eine Verbindung, die noch nicht reglementiert war. Rechtlich gesehen also praktisch das gleiche wie Wasser (oder Rosenblüten, wie es einer der Anwälte zwischenzeitlich so süffisant kommentiert). Für einen Stoff, der noch nicht reglementiert ist, gibt es auch keine Grenzwerte oder gar eine rechtliche Handhabe bezüglich etwaiger Schäden, die durch ihn hervorgerufen werden. Schlimmer noch: DuPont setzte die Grenzwerte gleich selbst. Und der Konzern nutzte PFOA als Emulgator bei der Herstellung seines von ihm entwickelten Teflon. Die nicht mehr benötigten Reste wurden in Flüsse abgegeben sowie unter anderem auf der im Film erwähnten Deponie entsorgt.
Der Flouranteil im PFOA war es, der nach und nach die Zähne der Kühe schwärzte. Und auch jene der Menschen, nachdem das Zeug auch ins Trinkwasser gelangte.
In etwa ab Minute 40 baut sich der Film im Zuge seiner Story mehr und mehr auf, entwickelt mehr und mehr Spannung. Wir beobachten, wie Billot (dessen schlechtestes Fach in der Schule Chemie war), sich nach und nach erarbeitet, welche Probleme, ja welche Gefahr die Verhaltensweise von DuPont mit sich brachte. Es ist unglaublich spannend zu sehen, wie er herausfindet, was hinter PFOA steckt, während ihm noch nicht einmal ein Chemiker sagen kann, was das überhaupt für ein Stoff ist. Das wirklich Krasse am Inhalt des Films ist, dass gewisse Details tatsächlich wahr sind. Dass DuPont beispielsweise seinen (unwissenden) Mitarbeitern mit Teflon versetzte Zigaretten anbot, um festzustellen, welche Reaktionen das hervorruft, ist keine Dramatisierung des Films. Und auch nicht, dass sie samt und sonders fast augenblicklich krank wurden. Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr entwickelt er sich wie ein Thriller. Wenn Billot auf Anraten seiner Frau DuPont an der Achillesferse packt und seine Ergebnisse an die Gesundheitsbehörde, das Justiz- und das Gesundheitsministerium schickt, sitzt man wie gebannt vor dem Monitor. Und wenn Billot nach dem dritten Viertel des Films zögert, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, weil er voller Angst ist, der Wagen könnte explodieren, ahnt man, welche Macht man dem Konzern seinerzeit zuschrieb.
Mark Ruffalo zeigt (mal wieder), dass er mehr drauf hat, als die menschliche Hülle für den grünen Giganten zu spielen. Als Billot duckt er sich, macht sich klein und verkürzt seine Halsmuskeln. Gerade genug, um zu vermitteln, dass er seinerzeit noch ein aufstrebender Anwalt war, der zunehmend in die Mühle zwischen moralischer Verantwortung und jener seinen eigentlichen oder einstigen Auftraggebern gegenüber kam. Einer, der außerdem eher introvertiert und zurückgezogen wirkte, während sein Boss eindeutig den Ton angab. Er macht das glaubwürdig und wirkt aufgrund seines Haarschnitts und des betont konservativen Äußeren tatsächlich wie ein Anwalt des späten letzten Jahrtausends. Ruffalo lag offenbar viel an dem Stoff, hatte er doch im gleichen Jahr der Filmproduktion bereits das Anfangskapitel des Audiobuchs von Billots Memoiren eingesprochen und begleitete Vergiftete Wahrheit auch als Produzent.
Grandios aber auch Tim Robbins, den man zuletzt viel zu selten gesehen hat. Als Chef der Anwaltskanzlei hält er nach 75 Minuten eine Brandrede, nach der der Zuschauer tatsächlich plötzlich wieder Vertrauen in Anwaltskanzleien bekommt. Schon alleine seine Physis ist beeindruckend – was auch der arme Mark Ruffalo zu spüren bekommt, wenn man die beiden im ersten Drittel des Films mal für einen Moment aus der Totalen gegenüber gestellt sieht. 1,96 Meter Körpergewalt gegen 1,73 Meter wirken in dem Moment physisch so, wie sich Billot vermutlich im Kampf gegen DuPont bisweilen psychisch gefühlt haben muss.
Emotional aufwühlend, spannend wie ein Thriller, klasse gespielt – Vergiftete Wahrheit rollt einen Chemieskandal auf, der fast 20 Jahre vor Gericht verhandelt wurde, obwohl die Fakten schon nach einem Jahr hätten ausreichen müssen, einem skrupellosen Konzern, der für die Erkrankung und den Tod tausender Menschen verantwortlich ist, jegliche Unterstützung zu entziehen. Besonders bewegend: Die Nennung/Darstellung der echten Schicksalsgefährten zu Beginn des Abspanns. Für diese hatte man kleine Rollen im Film integriert.
Autor: Timo Wolters - Copyright Szenenfotos: © Leonine Distribution
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