Südafrika 1973. Timothy und Stephen haben gerade ihr Studium beendet. Die beiden Weißen, die in Südafrika aufwuchsen, haben ein starkes soziales Gewissen und können die Umstände in ihrem eigenen Land nicht mehr ertragen. Die ständige und strenge Trennung nach Rassen unter dem Apartheid-Regime stößt ihnen sauer auf. Sie beschließen etwas zu ändern...
Südafrika 1973. Timothy und Stephen haben gerade ihr Studium beendet. Die beiden Weißen, die in Südafrika aufwuchsen, haben ein starkes soziales Gewissen und können die Umstände in ihrem eigenen Land nicht mehr ertragen. Die ständige und strenge Trennung nach Rassen unter dem Apartheid-Regime stößt ihnen sauer auf. Sie beschließen etwas zu ändern. Radikal zu ändern. Sie schließen sich dem African National Congress (ANC) an und setzen immer wieder kleine Nadelstiche mit gefährlichen und illegalen Aktionen. Ihr Ziel ist die Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Fünf Jahre später werden sie bei einer ihrer Aktionen geschnappt. Vor Gericht stehen die Chancen schlecht. Der Richter ist ein Rassist und will ein Exempel an den Verrätern statuieren. Das Ergebnis: Zwölf Jahre Haft für Timothy und acht Jahre für Stephen. Eingesperrt werden sie in den Knast für Weiße (politische Gefangene und Mörder) in Pretoria. Doch Timothy ist sich sicher: Lange wird er hier nicht bleiben. Für ihn ist klar, dass er ausbrechen wird. Doch dafür braucht man Kontakte drinnen und draußen sowie eine zündende Idee …
Die Einblendung „beruht auf wahren Begebenheiten“ heißt hier ausnahmsweise mal genau das, was es aussagt. Flucht aus Pretoria basiert auf dem 1987 veröffentlichten Buch Escape from Pretoria von Timothy Jenkin, das die Umstände beschreibt, unter denen er und Stephen nach 18 Monaten Inhaftierung aus dem Knast flohen. Francis Annan hat daraus in seinem dritten Langfilm eine packende Verfilmung gemacht. Er beginnt mit eindrücklichen und bedrückenden (vielleicht etwas arg plakativen) Aufnahmen aus dem Archiv, die zeigen, welche Gewalt der südafrikanische Staat in der Hochphase der Apartheid gegenüber seiner schwarzen Bevölkerung hat walten lassen. Während das privilegierte weiße Volk an den Stränden sonnenbadete, wurden in den Townships die jungen Schwarzen oft erbarmungslos gejagt oder gleich erschossen. Timothy und Stephen waren beide politische Aktivisten, nachdem sie sich auf der Universität getroffen hatten und dort vermehrt Literatur gelesen hatten, die vom Apartheid-Regime verboten war.
Sie interessierten sich bald für den ANC, der seinerzeit natürlich noch eine illegale Organisation gewesen war. Beiden gelang die Flucht aus dem Gefängnis für Weiße in Pretoria. Über die Länder Angola, Sambia und Tansania gelangten sie irgendwann in die Freiheit. Zwar nimmt der Film sich ein wenig dramaturgische Freiheit, indem er beispielsweise die Festnahme unter recht explosiven Umständen zeigt, während in Wahrheit der Zugriff nach langer Überwachung der beiden relativ unspektakulär verlief, doch die zugrunde liegende Geschichte ist korrekt. Mit durchaus flotter Inszenierung werden die ersten 20 Minuten geschildert und der Zuschauer ist sofort emotionalisiert und bedingungslos auf der Seite der beiden Aktivisten. Einmal im Gefängnis angekommen nehmen die Dramatisierung natürlich zu, werden aber auch hier packend beschrieben. Schon die ersten Begegnungen mit anderen Gefängnisinsassen lassen das Thema Vertrauen und Misstrauen in den Film einfließen. Wem von den Insassen kann man erzählen, was man vorhat, wem nicht.
Wenn Timothy dann beginnt, seine Schlüssel-Idee zu entwickeln, mag man als Zuschauer kaum glauben, dass das geklappt haben mag und dass man die Motivation behält, rein durch Abpausen der Schlüssellöcher und die Visualisierung der Formen an den Schlüsselbunden der Wärter dieses Vorhaben durchzuziehen. Wer weiß schon, an welcher Stelle er noch feilen muss, wenn das Ding mal nicht zu 100% passt. Und außerdem: Die Schlüssel sind aus Holz. Einmal zu feste gedreht, einmal auf Widerstand gestoßen und die mühsam erfeilten Formen brechen im Schloss ab. Kaum zu glauben, was Jenkin hier an Schweiß ausgestanden haben muss.
Ohne das Buch gelesen zu haben, kann man durchaus vermuten, dass der Film nicht nur einmal bewusst übertreibt, um gezielt Spannung aufzubauen. Was in Ordnung ist, wenn man auch auf filmischer Ebene unterhalten und nicht nur eine Dokumentation abliefern möchte. Und was vor allem deshalb funktioniert, weil Daniel Radcliffe hier gegenüber seinem nur kurz zuvor abgedrehten Guns Akimbo eine 180° Kehrtwende vollzieht. Wie ein 70er-Jahre-Buchmacher sieht er aus, der gute Daniel in der Rolle des Timothy. Während er den Freiheitskämpfer überzeugend darstellt, nimmt man ihm gleichzeitig ab, dass er die Planung mit dem Ausbruch sowie die feinmechanische Arbeit an den Schlüsseln bewerkstelligt. Ich wiederhole mich gerne, wenn man sich an die Zeilen aus Guns Akimbo erinnert: Radcliffe hat sich längst von seinem Dasein als Zauberlehrling emanzipiert und ist ein ernstzunehmender Darsteller geworden. Nicht sonderliche viele Schauspieler, die als Kind in extrem erfolgreichen Filmen-Hauptrollen zu sehen waren, können das von sich behaupten.
Radcliffe folgt man gebannt, wenn er als Timothy die verschiedenen Stufen der Planung und Anfertigung der Schlüssel vollzieht. Besonders intensiv gerät ein Probelauf nach ca. 55 Minuten Laufzeit des Films wenn Jenkin und Fontaine die erste Reihe von Türen ausprobieren. Voller Nervenkitzel sitzt man vor dem Film, während die beiden des Nachts durch die Flure schleichen und jedes erzeugten Geräusch wie ein Donnerhall von den hohen und kahlen Wänden zurück schallt. Schweißgebadet wie Jenkin selbst sieht man zu, wie sich die zwei spontan in einem Schrank verstecken müssen, weil der diensthabende Wärter seine Runde macht.
Das einzige, das man Flucht aus Pretoria am Ende vorwerfen kann, ist ein Mangel an Charakterzeichnung. Man erfährt praktisch nichts über Stephen und Timothy. Vor allem Stephen – obwohl von Daniel Webber charmant dargestellt – bleibt als Figur leichenblass. Man weiß weder, woher er kommt, welchen Hintergrund er hat und welche Gefühle ihn umtreiben. Ähnlich blass bleibt auch Timothy als Charakter. Lediglich die Dinge, die er in Sachen Planung und Durchführung des Ausbruchs drauf hat, zeichnen ihn nachvollziehbar aus. Da es in der Story auch nur oberflächlich um die Apartheid und den Kampf gegen diese geht, sondern vielmehr konzentriert um den Gefängnisausbruch, gibt es auch hier kaum Möglichkeit für intensivere Schilderungen der gesellschaftspolitischen Beweggründe von Tim und Stephen. Den reichhaltigsten Background bekommt tatsächlich Mitinsasse Leonard Fontaine (dessen Name man geändert hat), von dem man ein paar familiäre Hintergründe bekommt.
Flucht aus Pretoria fehlt ein wenig die Charakterzeichnung, was schade ist. Man erfährt wenig bis gar nichts über die Hauptfigur. Diesen Mangel macht Francis Annan allerdings mit einer äußerst dichten, sehr spannenden und erfreulich reduzierten Inszenierung wieder wett. Er verzichte auf übertriebene Dämonisierungen der weißen Wärter, was grundsätzlich unnötig gewesen wäre. Denn die Realszenen der ersten Filmminute reichen völlig aus, um den Rahmen für die Nachvollziehbarkeit des Ausbruchs zu bieten. Radcliffe schlägt sich erneut prächtig, zeigt seine Bandbreite und demonstriert, dass mit ihm weiterhin zu rechnen ist.
Autor: Timo Wolters - © Koch Films. Alle Rechte vorbehalten
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