Clint Eastwood wird nicht müde, gute Filme zu drehen (...) Atlanta 1986: Richard Jewell arbeitet neuerdings als Bürogehilfe in einer Kanzlei. Er besorgt den Angestellten, was sie zum Arbeiten benötigen. Dabei weist er eine erstaunliche Beobachtungsgabe auf – selbst wenn er für Anwalt Watson Bryant ein wenig zu weit geht, was das Schnüffeln in Privatem angeht. Das allerdings liegt vielleicht auch daran, dass Richard dereinst gerne im Bereich Sicherheit oder sogar für den Secret Service arbeiten möchte.
Zehn Jahre später ist er Wachmann, übertritt aber gerne mal seine Kompetenzen. Er hat Glück, dass er einen Job bei einem privaten Security-Dienstleister bekommt und bei den Olympischen Spielen in Atlanta für etwas Ordnung sorgen darf. Dort findet er eines Abends einen herrenlosen Rucksack, um das er ein ziemliches Aufhebens macht. Er lässt die Sache melden, während in unmittelbarer Nähe ein Konzert stattfindet. Während er auf die entsprechenden Instruktionen der Polizei wartet, beginnt Richard, die direkte Umgebung zu evakuieren. Erschwert wird das dadurch, dass ihm nicht viele Menschen Glauben schenken. Die Sache wird ernst, als bei der Polizei eine anonyme Bombendrohung für den Park neben dem Stadion eingeht. Und die befindet sich ganz offensichtlich in eben jenem Rucksack.
Durch Richards Tatendrang werden die umstehenden Menschen evakuiert. Einige Minuten später explodiert die Rohrbombe. Zwei Menschen finden den Tod. NUR zwei Menschen. Denn ohne Richard hätte das Ganze weitaus schlimmer ausgehen können. Für einen Moment ist er Richard, der Held. Doch plötzlich ändert sich das Blatt. Für das FBI passt Richards Persönlichkeitsprofil auf ein „Fake-Hero“-Syndrom. Er wird zum Hauptverdächtigen. Und für die übereifrige Journalistin Kathy Scruggs ist der Fall klar. Immerhin hätte sie gerne endliche eine große Story und Richard Jewell ist das perfekte Opfer dafür …
Mit 90 befinden sich die meisten Menschen im wohlverdienten Ruhestand. Sie genießen Weltreisen mit dem Wohnmobil, gehen auf Kreuzfahrt oder pflegen ihren Garten und kümmern sich um Enkel und/oder Urenkel. Die beiden letztgenannten Dinge können (ohne mein Wissen) natürlich auch auf den Privatmann Clint Eastwood zutreffen. Ruhestand aber kennt er nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um die Profession geht, der er seit 1955 als Schauspieler und später als Regisseur nachgeht.
Wie ein Uhrwerk veröffentlicht er seit Anfang der 70er im Schnitt fast einmal pro Jahr einen Film. Und er steigerte sich von mal zu mal. Dabei kamen bei Publikum und Kritik beliebte Klassiker wie Mystic River, Million Dollar Baby oder Sully heraus. Und irgendwie weiß man bei jedem Werk, dass man sich auf Eastwood verlassen kann. Mal inszeniert er sich selbst in der Hauptrolle (wie zuletzt bei Mule) und mal nimmt er sich zurück und lässt anderen den Vortritt. Oft nimmt er sich wahre Geschichten als Grundlage für seine Filme und vermittelt sehr oft ganz unprätentiös ein ganz „normales“ Heldenbild. Eastwood gelingt es immer wieder, berühmte, berüchtigte, verkannte oder verehrte Menschen zu inszenieren, ohne sie auf simple Weise zu glorifizieren. Stets blickt der Regisseur Eastwood hinter die Fassade der Figuren und vor allem hinter die Fassade derer, die mit ihnen zu tun haben. Auf diese Weise verkommen Filme wie Sully nicht zum heroischen Tränenzieher und selbst beim thematisch schwierigen American Sniper gelingt ihm eine differenzierte Sichtweise.
Nun pickt er sich erneut einen Alltagshelden heraus. Richard Jewell dürfte von allen real existierenden Figuren seiner Filme die tragischste sein. Denn der Wachmann wurde zwar kurzzeitig als Vereitler schlimmeren Übels beim Anschlag auf das Centennial Olympic Stadium während der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta gefeiert, geriet kurz darauf aber in eine Mühle aus Anschuldigungen und Verleumdungen. Denn für das FBI passte der etwas übergewichtige Jewell perfekt in die Rolle eines Lone Bombers, also eines einsamen Attentäters. Aufgrund seines introvertierten Wesens und eher gering ausgeprägten Sozialkontakten geriet er ins Visier und da die Presse allzu früh Wind von den FBI-Ermittlungen gegen Jewell bekam, begann eine fast 90-tägige Hetzjagd, die den eigentlichen Helden und seine Mutter immer stärker in die Enge trieb. Ins typische Heldenbild passt Jewell tatsächlich nicht, weshalb sich die Öffentlichkeit vielleicht auch sehr einfach damit abfand, die Meldungen der Presse und TV-Sender nicht in Frage zu stellen.
Eastwood nimmt sich zu Beginn von Der Fall Richard Jewell ausgiebig Zeit, seine Hauptfigur vorzustellen. Ruhig und konzentriert wie in allen seinen Filmen inszeniert er das Emporkommen des jungen Richard. Vom Bürogehilfen zum Wachmann und dann zum Sicherheits-Mitarbeiter bei den Olympischen Spielen. Eastwood zeigt, dass Jewell kein einfacher Typ gewesen ist. Er ist zwar durchdrungen von einem tiefen Gerechtigkeitssinn, aber auch pedantisch, etwas übergriffig und hat merklich Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Für die Story ist das nicht unwichtig, denn es braucht ja eine Argumentation, warum FBI, Medien und Öffentlichkeit in Jewell gut drei Monate lang den potenziellen Attentäter sahen.
In den Momenten nach dem Anschlag gelingt Eastwood aber ein genialer Kunstgriff, um die Zweifel, die sein Film zunächst bewusst an der Hauptfigur sät, im Nu zu zerschlagen: Er zeigt reale TV-Berichte und ein damals stattgefundenes TV-Interview mit Jewell, das sich seine Filmmutter (Kathy Bates) anschaut. Dadurch, dass hier nicht inszeniert, sondern dokumentiert wird, stellt der Film eindeutig klar, dass Richard Jewell kein Täter, sondern ein Opfer war. Eastwood erweist ihm auf diese Weise posthum Ehre. Nicht gut weg kommen hingegen Presse und vor allem das FBI. Schon in der ersten Besprechung formen die Bundesbeamten ein typisches Profil vom „Feuerwehrmann, der ein Feuer legt, um es zu löschen und als Held dazustehen“. Arg plakativ und mindestens unglücklich ist die Tatsache, dass Eastwood Kathy Scruggs unnötig sexualisiert. Er schildert, dass sie sexuelle Gefälligkeiten im Austausch für die FBI-Informationen „spendierte“. Das wiederum ist offenbar reine Spekulation.
Eine entsprechende Beschwerde seitens des Atlanta Journal-Constitution (der Zeitung, für die Scruggs arbeitete) ließ nicht lange auf sich warten. Und eine gewisse Unfairness kann man dem Film hier durchaus attestieren. Denn Kathy Scruggs ist 2001 verstorben und kann hierzu keine Stellung beziehen. Von ihrer Charakterisierung durch den Film abgesehen, spielt Olivia Wilde diese Kathy Scruggs mit forscher Skrupellosigkeit und macht das hervorragend. Rein darstellerisch wirklich einen klasse Leistung. Allerdings ist Der Fall Richard Jewell ohnehin reich an tollen Darstellern. Kathy Bates spielt Richards Mutter mit sorgenvoller Miene und bedingungsloser Unterstützung. Unnachahmlich, wenn sie sich darüber beschwert, dass das FBI ihre Haushaltsdosen mitnimmt und die Unterwäsche durchwühlt. Bewegend der Moment, wenn sie merkt, dass sie ihren Jungen nicht beschützen kann.
Großartig (erneut – oder besser: wie immer) ist Sam Rockwell als Richards Anwalt Watson Bryant. Er ist der ausgleichende Faktor in der Geschichte. Wie er dem etwas unbedarft-naiv wirkenden Richard die Gedankenwelt des FBI näher bringt, wenn sie vor einem Bett voll mit Richards Waffenarsenal stehen, ist großartig. Es stellt sich allmählich die Frage, ob dieser Man überhaupt durchschnittlich agieren kann. Nur einer kann Outdoor-Sandalen mit Socken drin tragen und dabei trotzdem irgendwie souverän wirken. Jewell selbst wird von Schauspieler und Comedian Paul Walter Hauser gespielt. Und er macht das großartig. Man nimmt ihm den etwas gutgläubigen Mann mit körperlichen Defiziten und gesundheitlichen Problemen jederzeit ab. Ist man zu Beginn noch etwas im Zwiespalt, ob man sich auf die Seite des Wachmanns mit übertriebenem Berufsethos stellen soll, wird der Mitleidsfaktor bald größer. Vor allem, wenn er im Zuge der Ermittlungen, die sich auf ihn konzentrieren, stets devot und unterwürfig agiert. Die Situation, in der Richard und Watson aneinander geraten, ist großes Schauspiel auf beiden Seiten.
Man mag anmerken, dass sich Eastwoods Film nicht etwas kritischer mit dem offensichtlichen Waffen-Fetisch von Jewell auseinandersetzt und solche Details zugunsten von ein/zwei Gags abfrühstückt. Selbst dem FBI scheint das herzlich egal zu sein. Dass sie bei ihm praktisch einen kompletten Waffenladen vorfinden, nutzen sie im Film jedenfalls nicht dazu aus, das Bild des einsamen Bombers weiter zu radikalisieren. Der Skandal ist allerdings ohnehin woanders zu suchen. Der Skandal ist, dass man Richard Jewells Ruf nie wirklich wieder herstellen konnte oder vielmehr wollte. Zahlreiche Zeitungen zahlten zwar Entschädigungssummen, aber selbst als der echte Attentäter 2003 endlich gefasst wurde, konnte sich das FBI nicht zu einer Entschuldigung Jewell gegenüber durchringen. Dem hätte das vielleicht ein wenig Genugtuung für ein Leben gegeben, das für zehn Jahre daraus bestand, den eigenen Ruf wieder herzustellen. Ein Unterfangen, das er aufgrund seiner auch durch die Ermittlungen schlimmer gewordenen körperlichen Krankheiten letztlich mit dem Leben bezahlte. Jewell wurde 44 Jahre alt und starb am 29. August 2007.
Der Fall Richard Jewell nimmt es nicht ganz mit jüngeren Eastwood-Klassikern wie Million Dollar Baby oder Gran Torino auf (was ohnehin schwierig wäre). In puncto Emotionalität bewegt sein Film aber wieder deutlich mehr als sein Vorgänger The Mule von 2018. Und sein Darsteller-Ensemble spielt dazu ganz groß auf. Trotz kleinerer Längen im letzten Drittel und einer arg plakativen Dämonisierung von Staatspolizei und Medien ein absoluter Tipp für Filmfans.
Autor: Timo Wolters - © Warner Home Entertainment Germany. Alle Rechte vorbehalten
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