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Filmrezension: Der Unsichtbare

Der Unsichtbare newsArchitektin Cecilia Kass lebt seit zu langer Zeit in einer Beziehung mit dem erfolgreichen Geschäftsmann und Forscher für optische Innovationen Adrian Griffin. Zwar muss sie sich ums Geld keine Sorgen machen. Doch der Kontrollwahn Adrians sowie seine manipulative Art haben aus Cecilia ein seelisches Wrack gemacht.

 

 

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Architektin Cecilia Kass lebt seit zu langer Zeit in einer Beziehung mit dem erfolgreichen Geschäftsmann und Forscher für optische Innovationen Adrian Griffin. Zwar muss sie sich ums Geld keine Sorgen machen. Doch der Kontrollwahn Adrians sowie seine manipulative Art haben aus Cecilia ein seelisches Wrack gemacht. Kein Wunder, dass sie eines Nachts ihre sieben Sachen packt und sich aus dem gespenstisch abgeschotteten Anwesen davon macht. Ihre Schwester Alice hilft ihr bei der Flucht und bringt sie anschließend bei Cecilias altem Bekannten James und dessen Tochter Sydney unter. Die Angst vor Adrian weicht allerdings erst, als sie von dessen Selbstmord hört. Überraschenderweise hat er sie in seinem Testament bedacht und ihr eine stolze Summe vererbt. Sie könnte sich nun in ein neues Leben ohne Furcht aufmachen. Doch daraus wird nichts. Es vergeht nicht viel Zeit und es mehren sich seltsame Dinge um sie herum. Dinge, die Cecilia annehmen lassen, Adrian könnte noch am Leben sein und alles von langer Hand geplant haben, um sie endgültig zu zerstören…

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Es klang so logisch, einleuchtend und spannend: Im Zuge des Erfolgs der Marvel-Filme aus dem MCU sowie dem DC-Universum von Warner beschloss man 2016/’17 bei Universal, das so genannte Dark Universe zu entwickeln – eine Art Horrorvariante des Marvel-Franchise. Immerhin hält man die Rechte an den schaurigsten Gruselfiguren der Filmgeschichte, die innerhalb des „Universal Horrors“ von den 1920ern bis in die 50er Jahre das Kinopublikum in Angst und Schrecken versetzte. Von Frankenstein über Dracula hin zur Mumie, dem Wolfsmenschen oder eben dem Unsichtbaren reicht die Palette. Nachdem man 2017 mit dem Reboot von Die Mumie den ersten Film des Dark Universe in die Kinos brachte, sollten weitere Kult-Charaktere aus ihrer Gruselgruft geholt werden, auf dass sie später möglicherweise in einem gemeinsamen Film aufeinander treffen. Doch der Gedanke eines gemeinsamen Universums wurde wieder verworfen, nachdem Tom Cruise‘ Neuinterpretation der Mumie auf wenig Gegenliebe stieß und noch weniger Einspiel rausholte.

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Um die Gedanken an eine Wiederbelebung der Figuren aber nicht gänzlich über den Haufen zu werfen, beschloss man, nach und nach dennoch Reboots/Remakes zu inszenieren. Nur eben als isolierte und einzeln für sich stehende Filme. Den Anfang macht nun Leigh Whannell mit Der Unsichtbare. Von vornherein eigentlich eine der blassesten (sorry für den kleinen Scherz) Figuren des Universal-Gruselkosmos. Frankensteins Monster oder der Werwolf sind und wären sicher die prominentere Wahl gewesen. Zumal die letzten Filme mit Unsichtbaren entweder erzählerisch flache VFX-Vehikel (Paul Verhoevens 2000er Hollow Man) oder seltsame Quasi-Komödien (Carpenters Der Unsichtbare von 1992) waren. Letzterer allerdings basierte allerdings nicht mal im Ansatz auf H.G. Wells Originalgeschichte von 1897.

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Die Voraussetzungen waren also nicht zwingend glücklich. Und es schien fraglich, ob jemand nach dem Mumien-Flop ausgerechnet einen Film über eine Figur sehen wollte, die man eben nicht sehen kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier vor allem die Kamera-Arbeit entscheidend ist, um dem Zuschauer die Bedrohung durch eine nicht sichtbare Gefahr zu vermitteln. Und hier kommt Leigh Whannell ins Spiel. Denn der Kreativkopf hatte zuvor immerhin schon das SAW-Universum sowie die Insidious-Filme erdacht. Hauptsächlich ist er dementsprechend als Drehbuchautor unterwegs und schreibt seinem Buddy James Wan die Filme auf den Regie-Leib. Bisher hatte er „lediglich“ für Insidious Chapter 3 sowie für Upgrade selbst auf dem Stuhl des Filmemachers gesessen.

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Doch ein Gespür für Stimmung, Atmosphäre und Kameraeinstellungen hatte er in diesen beiden Genrewerken schon bewiesen. Und mit Produzent Jason Blum arbeitete Whannell in beiden Filmen bereits zusammen. Blum, der aktuell praktisch das Monopol auf hochwertige und erfolgreiche Horrorfilme in den USA hält, übernahm mit Bloomhouse Productions dann 2019 und parallel wurde bekannt, dass Johnny Depp nicht mehr (wie zuvor angenommen) die Hauptrolle spielen würde. Nachdem Der Unsichtbare für eine kurze Zeit in den Kinos lief, wurde er zum Auswertungsopfer der Corona-Krise. Zwar konnte er in der kurzen Zeit von knapp drei Wochen weltweit 124 Mio. Dollar einspielen, was bei 7 Mio. Dollar Budget aller Ehren wert ist, doch es sind ihm vermutlich weitere zig Mio. Dollar durch die Lappen gegangen. Deshalb entschloss man sich dazu, ihn deutlich früher über VoD-Plattformen zum Leihen anzubieten, bevor jetzt im Juli endlich die Blu-rays erscheinen.

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Whannell orientiert sich in seinem Skript nur in Grundzügen an der Originalgeschichte von Wells. Dafür ergänzt er das Gerüst um eine Stalker-Substory, die hervorragend in die moderne Zeit passt. Sie führt in letzter Konsequenz weiter, was in der Realität über die Kontrolle von Handys, Konten bei sozialen Netzwerken oder (im drastischen Fall) über Überwachungskameras und das  Nachstellen durch Stalker geschieht. Der Unsichtbare nutzt sein Schreckenspotenzial maximal aus, um eine Frau in den Wahnsinn zu treiben, der selbstredend niemand glaubt. Welcher Polizeibeamte lässt sich schon erzählen, dass man von jemandem verfolgt wird, den man nicht sehen kann.

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Whannell reichert den Thrill dabei immer wieder mit perfiden Einfällen an, die den Zuschauer auf die höchste Emotionalisierungstufe bringen. Als Zuseher weiß man von Cecilias Unschuld. Doch der Film schafft es immer wieder, ihr, dem eigentlichen Opfer, die Schuld für alles in die Schuhe zu schieben – die Macht eines Unsichtbaren ist eben nahezu endlos. Die ganze Zeit über lässt Whannells Film keinen Zweifel daran, dass wir, also diejenigen vor der Leinwand, Cecilia Glauben schenken dürfen, während alle anderen an ihrem Verstand zweifeln. Und dass wir an ihrer Seite stehen, treibt Hauptdarstellerin Elisabeth Moss (Wir) zu einer herausragenden Leistung. Ist sie zunächst das immer stärker in Verzweiflung versinkende Opfer, schlägt sie irgendwann einen anderen Ton an. Beides gelingt ihr hervorragend. Ihr Gesichtsausdrücke sprechen dabei stets Bände und vermitteln eindrücklich, was die aus Manipulation und Missbrauch bestehende Beziehung zu Adrian über die Zeit an Schaden angerichtet hat, wie geschunden ihre Seele ist.

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Neben der herausragenden Leistung von Moss sorgen aber in der Tat die atmosphärisch gefilmten Bilder von Kameramann Stefan Duscio für Grusel und Spannung. Unterlegt mit dem meist unterschwelligen Score verdeutlichen leere Räume die Einsamkeit, in der sich Cecilia befindet, weil ihr niemand Glauben schenken mag. Hinter jeder Kamerabewegung auf sie zu könnte der Unsichtbare stecken. Immer dann, wenn sich die Kamera einfach mal von ihr weg bewegt, sucht man nach Anzeichen, die der Gegner aus dem Nichts hinterlassen haben könnte. Wenn Cecilia ihn dann das erste Mal enttarnt, braucht es keinerlei Blut- oder Ekeleffekte, um für eine ebenso kurze wie wirkungsvolle Sekunde für absoluten Schrecken zu sorgen.

Die kurzen, aber wirkungsvollen Blutmomente, die Der Unsichtbare durchaus liefert, verkommen nie zum Selbstzweck, sondern intensivieren nur gezielt den Grusel, der über die geschickte Regie und die Kamera-Arbeit ohnehin entsteht. Was Verhoeven 2000 in visuellen Effekten absaufen ließ und was Carpenter mit peinlichem Humor in seiner Unsichtbaren-Variante vergurkte, bewegt Whannell zu einem im allerbesten Sinne wirklich gruseligen Werk, das Vieles gar nicht zeigen muss, um Spannung zu erzeugen. Bereits die Eröffnungsszene ist derart fiebrig inszeniert, dass man gebannt vor dem TV oder der Leinwand sitzt und beide Daumen drückt, dass die Flucht gelingt. Zu keiner Zeit hat man Zweifel daran, dass Adrian es jeden Moment entdecken und vereiteln könnte. Und diese Spannung setzt sich weit über eine Stunde fort, bis Der Unsichtbare dann doch etwas der Mut verlässt und er auf einen konventionellen Schluss abzielt, der über einen (nicht sonderlich überraschenden) Storytwist in die Wege geleitet wird. Das ist insofern schade, als dass es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, die Sache subtiler zu Ende zu bringen. Für Genrefans verwirrend dürfte überdies sein, dass Whannell sich nach 90 Minuten doch SEHR deutlich an einem anderen Film anlehnt, deren Protagonistin auch niemand glauben wollte: Terminator II – Tag der Abrechnung.

 

Fazit

Der Unsichtbare gehört zu den stärksten Neuverfilmungen der letzten Jahre. 90 Minuten liefert er pure Spannung und ein hohes Maß an Emotionalisierung. Das letzte Viertel fällt dagegen zwar leicht ab, doch Elisabeth Moss rettet auch über diese etwas schwächere halbe Stunde hinweg. Die UHD liefert dazu das sattere und noch mal sichtbar besser aufgelöste Real-4K-Bild, das lediglich aufgrund seiner etwas dunklen Abstimmung vornehmlich Abends geschaut werden sollte. Sowohl BD und UHD bieten einen durchweg räumlichen, sehr definierten und in Actionszenen bisweilen aggressiv-dynamischen Dolby-Atmos-Sound, der die Heights allerdings nicht immer ganz korrekt nutzt.

 

 

 

Filminfos und Inhalt: Der Unsichtbare

  • Anbieter: Universal Pictures
  • Land/Jahr: USA 2020
  • FSK 16
  • Regie: Leigh Whannell
  • Darsteller: Elisabeth Moss, Oliver Jackson-Cohen, Harriet Dyer, Storm Reid, Aldis Hodge, Michael Dorman
  • Tonformate BD/UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): de, en
  • Bildformat: 2,39:1

Autor: Timo Wolters - Copyright Szenenfotos: © Universal Pictures

 

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