Rezension des Films: Ballon. Pößneck, Thüringen im Juli 1979: Etwas über ein Jahr haben die Familien Strelzyk und Wetzel ihre Flucht aus der DDR geplant. Gemeinsam mit ihren insgesamt vier Kindern wollen sie in einem riesigen Heißluftballon in große Höhe aufsteigen, um in den Wolken unerkannt über die (...)
Pößneck, Thüringen im Juli 1979: Etwas über ein Jahr haben die Familien Strelzyk und Wetzel ihre Flucht aus der DDR geplant. Gemeinsam mit ihren insgesamt vier Kindern wollen sie in einem riesigen Heißluftballon in große Höhe aufsteigen, um in den Wolken unerkannt über die Grenze zu fahren. Als die Nacht der Nächte gekommen ist, steigen die Wetzels jedoch aus, da sie fürchten, dass der Ballon zu klein ist und nicht alle trägt. Die Strelzyks unternehmen den Fluchtversuch auf eigene Faust. Doch der Ballon saugt sich auf seiner Fahrt mit Wasser voll und verliert daraufhin an Höhe. Kurz vor der Grenze geht er zu Boden. Mit Mühe und Not können die Strelzyks die meisten Beweise vernichten und unerkannt nach Hause zurück kehren.
Da man jedoch fürchtet, dass die Stasi Wind von ihnen bekommt, bleibt nur eine Wahl. Sie müssen einen weiteren Ballon nähen, die Gondel größer machen und dann endlich mit allen acht Passagieren einen erneuten Versuch starten. Und das so schnell wie möglich, denn Oberstleutnant Seidel von der Staatssicherheit ist ihnen auf den Fersen. Wohl wissend, dass eine Flucht im Ballon kein gutes Licht auf ihn und die DDR wirft …
Viele Menschen versuchten in der Zeit der Mauer von der DDR in die BRD zu fliehen. Vielen gelang es. Manchen leider nicht. Der Fantasie und dem Mut, den die Fluchtwilligen dabei an den Tag legten, schien keine Grenze gesetzt zu sein. Eine der, wenn nicht DIE spektakulärste Aktion legten die beiden Familien Wetzel und Strelzyk hin. Ihre Flucht im Heißluftballon ist rückwirkend betrachtet ebenso wahnsinnig wie mutig und nervenaufreibend.
Und das hat Michael Bully Herbig seit sechs Jahren in minutiöser Detailarbeit zu einem Mix aus Drama und Thriller verarbeitet, das ganz großes Kino aus Deutschland darstellt. Der bislang ausschließlich durch seine komödiantischen Rollen und Filme bekannte Münchner interessierte sich bereits nach ersten Gesprächen mit Günter Wetzel dafür, die Story als Remake aufzufrischen. Denn bereits 1980 hatte Disney einen amerikanischen Film unter dem Namen Mit dem Wind nach Westen produziert, der 1982 Premiere feierte und mit John Hurt und Beau Bridges in den Hauptrollen besetzt war. Nur mit Mühe (und dem Kontakt über Roland Emmerich) konnte Herbig die Rechte von Disney kaufen und seine eigene Version zu Wege bringen.
Michael Bully Herbig legt mit „Ballon“ seinen ersten Thriller vor, der gleichzeitig die Nerven zum Zerreißen spannt, als hoch emotionale Familiengeschichte zu Herzen geht und obendrein deutsch-deutsche Wirklichkeit der späten 70er Jahre mit beispielloser Authentizität und Glaubwürdigkeit in Bilder fasst. Mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross und Alicia von Rittberg hat er herausragende Darsteller gefunden, die in ihrem Spiel so nuancenreich sind wie Thomas Kretschmann, der seinen Stasioffizier fernab von Klischees gibt. Bully fokussiert sich dabei auf die Thriller- und Spannungsmomente, nicht zwingend auf das politische System der DDR. Deren Struktur und Überwachungssystem hängt natürlich wie ein Damokles-Schwert über den beiden Familien, doch vielmehr kümmert sich Ballon um die Dramatik zwischen den beiden Familien und ihre ständige Furcht davor, von der Staatssicherheit entdeckt zu werden.
Gegenüber dem 80er-Jahre-TV-Film, in dem übrigens Klaus Löwitsch den Stasi-Ermittler spielte, gelingt Herbig auch die differenziertere Darstellung des Oberstleutnants. Mit Thomas Kretschmann hat man Seidel idealtypisch besetzt. Nicht nur ist der charismatische Kretschmann ein Schauspieler von internationalem Format, der auch Antagonisten fernab von Klischees spielen kann. Vielmehr ist der gebürtige Dessauer 1983 selbst aus der DDR in die BRD geflohen. Er kann also gut nachvollziehen, welche Stimmung damals im Land herrschte. Seinen Seidel legt er nuanciert an. Als Zuschauer bekommt man eben keinen dämonisierten Flüchtlingsverfolger, sondern einen, der schon mal . Schon sein erster Auftritt erzeugt Gänsehaut, wenn er einem untergebenen Leutnant eine (im wahrsten Sinne des Wortes) grenzwertige Frage stellt. Gleichzeitig ist die Besetzung der vier Eltern Wetzel und Strelzyk vorzüglich gelungen. David Kross als Günter und Friedrich Mücke als Peter ergänzen sich prima, wobei Kross eher zurückhaltend agiert und Mücke weitgehend das Feld überlässt.
Dennoch demonstriert der Wetzel-Darsteller, dass er mit Recht zu den besten deutschen Schauspielern gehört. Herausragend sind auch Alicia von Rittberg als Petra Wetzel und Karoline Schuch als Doris Strelzyk. Schuch, die bis zur Maueröffnung ebenfalls DDR-Bürgerin war, vermittelt eindringlich, welche Furcht und Bedenken die Familie hatte; wie sehr sie sich im Anschluss an den ersten Versuch verfolgt fühlten. Alle Darsteller bewegen sich in Ballon in einem Szenario, das so authentisch wirkt, dass auch jemand ohne DDR-Hintergrund nachempfinden kann, wie es ausgesehen, sich angefühlt, ja sogar gerochen haben mag. Von der unglaublich detaillierten Gestaltung der Wohnungen, die bis auf die Zigaretten, spezielle Trinkgläser oder die Tapeten extra angeschafft oder hergestellt wurden, bis hin zu den Kostümen. Zugegeben war der Verfasser dieser Zeilen nie in der Deutschen Demokratischen Republik.
Aber wenn die Familie Wetzel bei einem speziellen Screening des Films sichtlich bewegt war und applaudierte (siehe Herbigs Aussage im Bonusmaterial), kann es so schlecht nicht umgesetzt worden sein. Und so wirkt Ballon bis in die kleinen Straßen und Gassen absolut authentisch. Ebenso in der Reproduktion des Heißluftballons selbst. Zwar wurden die Luft-Aufnahmen mit den Darstellern vor Green Screen gedreht, doch das Fluggerät ließ Herbig dennoch anfertigen, um die Außenaufnahmen mit ihm zu machen. Nicht nur das. Damit die Schauspieler eine Ahnung von der Aktion bekamen, durften sie in der Gondel Platz nehmen und mal ein paar Meter in die Luft abheben. Sicherlich auch ein Detail, das dafür sorgte, dass die Emotionen realistisch wirken. Denn Herbigs Film lebt von Emotionen. Er lebt davon, dass man trotz des bekannten Ausgangs zwei Stunden lang mitfiebert und fürchtet, die Sache könnte noch schief gehen.
Die Spannung, die durch die Verfolgung der Stasi erzeugt wird; durch die Tatsache, dass die beiden Familien noch mehr jedem misstrauen mussten als vorher schon, ist zum Greifen. Jeder Nachbar könnte ein Spion sein. Jeder Blick eines Passanten wirkt wie eine Bedrohung. Nichts wünscht man den Familien so sehr wie das Gelingen ihres Unterfangens, während die jüngeren Kinder sich in der Vorschulgruppe zu verplappern drohen. Plötzlich wird jede Betreuerin, jede Angestellte eines Supermarkts oder Stoffladens zum potenziellen Spitzel.
Ein bisschen schade ist die Tatsache, dass sich die Geschichte zunächst über eine Stunde auf die Familie Strelzyk konzentriert. Das nimmt dem Film ein wenig Fahrt. Doch sobald die Familien wieder zusammen kommen und der zweite Ballon zusammen gebaut wird, nimmt das Tempo wieder zu – und es zeigt, dass Herbig zu den besten Regisseuren gehört, die das Land zu bieten hat. Einen weiteren Aspekt beleuchtet Ballon überdies. Denn so sehr wie man sich wünscht, in die Freiheit der BRD zu gelangen, so sehr lässt man auch lieb gewonnene Menschen, Freunde zurück – stellvertretend dargestellt durch den Abschied, den Sohn Frank von seiner frischen Liebe nehmen muss. Ausgeblendet bleibt lediglich, welches Drama sich nach der Flucht anschloss. Denn während sich die beiden Familien im Anschluss zerstritten, sorgte die Stasi mit dem „Vorgang Birne“ dafür, dass den Flüchtlingen auch in der BRD übel mitgespielt wird. Vielleicht Stoff für einen weiteren Film, Herr Herbig?
Michael Bully Herbig ist ein spannender Mix aus Drama und Thriller gelungen, der oftmals Anleihen bei den ganz großen Spannungs-Regisseuren der Filmhistorie nimmt. Hervorragend besetzt und sensationell authentisch ausgestattet staunt man nicht schlecht, wenn der tatsächlich gebastelte/gebaute Ballon in die Luft steigt. Wenn Herbig gute Drehbücher bekommt, darf er von seinen Komödien gerne noch länger etwas Abstand nehmen und weiter im Spannungsfach bleiben. Sowohl die UHD als auch die Blu-ray liefern den identisch guten Atmos-Ton sowie ein sehr gut aufgelöstes und hervorragend ruhiges Bild.
Autor: Timo Wolters - Copyright Szenenfotos: StudioCanal Home Entertainment Sales
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